USA-Schweiz: Eine Lektion für die Bundesregierung

Wir haben regelmäßig über die Schwächen und Gefahren des bilateralen Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz berichtet (etwa hier). Eine gängige Argumentation für das Abkommen ist wie so oft im politischen Geschäft die angebliche Alternativlosigkeit: entweder man mache eben dieses Abkommen, oder man bekomme gar nichts.

Aus mindestens zwei Gründen überzeugt dieses Argument aber nicht. Erstens, weil mit der Erweiterung der Zinsrichtlinie ein wirkungsvolles Instrument im Kampf gegen Steuerhinterziehung im ECOFIN zur Entscheidung steht. Die Schweizer Bankkonten von deutschen BürgerInnen würden durch diesen Erweiterungsvorschlag der Zinsrichtlinie viel wirkungsvoller und besser besteuert, als es das bilaterale Abkommen vorsieht. Denn, wie wir in großem Detail erklärt haben, bestehen im Wesentlichen die gleichen Schlupflöcher der alten Zinsrichtlinie im bilateralen Steuerabkommen mit der Schweiz weiter (siehe hier).

Indem Deutschland seit Ende Februar das Thema der Zinsrichtlinie entgegen des ausdrücklichen Wunsches der Dänischen EU-Ratspräsidentschaft von der Tagesordnung des ECOFIN-Rates entfernt, sorgt das deutsche Finanzministerium selbst dafür, dass die bessere Alternative der Zinsrichtlinie nicht voran kommt. Damit hat Deutschland begonnen sich an die Seite der Steueroasen Österreich und Luxemburg zu stellen. Auf der einen Seite behauptet das Finanzministerium, man möchte die Überarbeitungen zur Zinssteuerrichtlinie gerne verabschieden, auf der anderen Seite weiß unser Finanzministerium genau (oder sollte genau wissen!), dass die Aussichten für die Erweiterung der Zinsrichtlinie gegen null tendieren, sobald die bilaterale Abkommen mit der Schweiz tatsächlich abgeschlossen werden. Luxemburg und Österreich haben für diesen Fall die Abkehr von der Zinsrichtlinie bereits offen angekündigt (siehe hier).

Damit begibt sich Deutschland in die Nähe der Scheinheiligkeit Österreichs (siehe hier). Ein Sprecher des Österreichischen Finanzministeriums hat sich tatsächlich erdreistet mit gespielter Entrüstung die lange Verzögerung bei der Verabschiedung der Erweiterungen zur EU-Zinsrichtlinie zu beklagen, während es die Österreichische Regierung war, die das Fortkommen der Richtlinie in den letzten Jahren konsequent im Finanzministerrat der EU gemeinsam mit Luxemburg blockiert hat.

Darüber hinaus, und darum soll dieser Beitrag gehen, wird aber auch völlig ausgeblendet, dass die USA in ihrem Ansatz mit der Schweiz sehr viel bessere Ergebnisse erzielt haben, als dies Schäuble mit dem bilateralen Abkommen für sich in Anspruch nehmen kann.

Was haben die USA erreicht? Man kann die Erfolge in zwei Teilen erzählen. Zum einen haben die USA mit einem konsequenten Verfolgen von Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistenden Banken und Bankern einen tiefen Einblick in die Schweizer Bankenwelt erhalten (wir berichteten hier). Diese Einblicke nutzen sie so geschickt aus, dass die UBS bislang die Identitäten und Konteninformationen der schwerwiegendsten 4700 US-Steuerhinterzieher bei der UBS preisgab.

Am Ende dieser Erfolge steht nun die vertragliche Kooperationswilligkeit der Schweiz (siehe hier). Die Schweiz wird fortan den USA auch in solchen Fällen weitreichende Informationen zur Verfügung stellen, in denen die USA Anfragen zu keinen namentlich oder andersweitig eindeutig identifizierten US-BürgerInnen stellen. Sogenannte Gruppenanfragen sind eindeutig erlaubt. Das Handelsblatt schrieb dazu:

"Das bedeutet, dass die Schweiz den USA auch dann Bankdaten liefert, wenn sie mutmaßliche amerikanische Steuersünder nicht im Einzelnen benennen können. Es genügt, wenn die Amerikaner Verhaltensmuster vorgeben, die auf Steuerhinterziehung mit Hilfe von Schweizer Banken hindeuten. Die Banken müssen die Verdächtigen dann identifizieren und die Namen ausliefern.

In seiner bisherigen Form ist das Bankgeheimnis restriktiver. Amtshilfe leistet die Schweiz anderen Staaten nur, wenn diese mutmaßliche Steuersünder im Einzelnen beschreiben können. Steuerhinterzieher, die in ihrem Heimatland nicht auffielen, konnten sich so mit ihrem Schwarzgeld in der Schweiz sicher fühlen.

Mit dem Entgegenkommen beim DBA will die Schweiz Strafverfahren gegen elf Banken in den USA abwenden. Die amerikanische Justiz hat unter anderem Credit Suisse, Bank Bär und die Kantonalbanken von Basel und Zürich in Verdacht, reichen Amerikanern bei Steuerhinterziehung geholfen zu haben. US-Staatsanwälte fordern von den Banken die Namen solcher Kunden und drohen, die Institute vor Gericht zu bringen, wenn sie sich weigern. Dem können sie Banken bisher nicht nachkommen, da sie gegen bestehendes Schweizer Recht verstoßen würden. Wenn der nun beschlossene DBA-Zusatz in Kraft tritt, sind die Banken aus diesem Dilemma befreit und können die geforderten Bankdaten liefern."

Diese weitreichenden Zugeständnisse stehen in keinem Verhältnis zu der anonymen Amnestieregelung, die Schäuble für deutsche SteuerhinterzieherInnen mit Schwarzgeldkonten in der Schweiz erreichen möchte.

Der zweite Teil der US-Politik gegen Steuerhinterziehung besteht aus FATCA („Foreign Account Tax Compliance Act“). Dieses Gesetz wird 2013 in Kraft treten und sorgt zur Zeit für Aufregung im internationalen Bankgeschäft. Um es einfach auszudrücken macht FATCA folgendes (mehr Details hier): Die USA verpflichten ab 2013 alle ausländischen Finanzinsitute mit Geschäften in den USA (das sind so gut wie alle bspw. Schweizer Banken) dazu, alle Bankkonten und -daten von US-Steuerpflichtigen automatisch an die US-Steuerbehörde zu melden. Dies gilt nicht nur für die unmittelbar betroffenen Rechtspersonen (Bsp. Bank A in den USA), sondern für alle Tochtergesellschaften oder verbundenen Unternehmen auf der ganzen Welt (Tochter von Bank A in Deutschland, Schweiz, usf).

Wenn die ausländischen Finanzintermediäre damit nicht einverstanden sind, dann müssen sie fortan eine saftige 30%-ige Quellensteuer auf alle Einfünfte aus US-Anlagen bezahlen. Das würde die Institute faktisch aus dem US-Markt verdrängen. Darüber hinaus genügt es FATCA nicht, dass die Banken einfach einen kleinen Ausschnitt ihrer KonteninhaberInnen gemäß FATCA nach US-Steuerpflichtigen durchstöbern, vielleicht aber einen Großteil der US-Konten, bspw. auf den Namen von Briefkastenfirmen oder Ermessensstiftungen außen vor lassen können. FATCA wird stattdessen detaillierte Anweisungen für die Sorgfaltspflichten von Banken enthalten, die vorschreiben dass Banken ihre gesamte Kontenbasis durchforsten müssen. Die entsprechenden Prozedere werden von der US-Steuerbehörde beaufsichtigt bzw. können im Ausnahmefall von Wirtschaftsprüfern auditiert werden.

Im Gegensatz dazu fördert das Deutsch-Schweizer Abkommen regelrecht die Beibehaltung von Pseudo-Anonymen Konten auf den Namen von Ermessensstiftungen oder discretionary trusts, hinter denen sich Deutsche Steuerhinterzieher ganz wunderbar und vom Gesetzgeber gewollt verstecken können (wir berichteten hier darüber, pdf).

Während die USA also ihren Marktzugang als Hebelwirkung für drastische Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten von Banken weltweit erfolgreich einsetzen, möchte Schäuble im Steuerabkommen Schweizer Banken sogar privilegierten Marktzugang gewähren. Das wiederrum ruft zu Recht die EU auf den Plan: Wettbewerbskommissar Almunia kann dem Abkommen nichts abgewinnen, weil es die einseitige Bevorzugung von Schweizer Banken gegenüber von Banken aus anderen Drittstaaten im EU-Wirtschaftsraum festschreiben will. Das kann nicht gut für Europa sein, zumal im Gegenzug aus der Schweiz Anonymität und Straffreiheit neben ein paar Groschen geliefert werden.

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