Europäisches Parlament verabschiedet Regeln zu länder- und projektbezogenen Offenlegungspflichten

Das Europäischer Parlament hat heute in einer Plenarsitzung zwei neue Richtlinien verabschiedet, die Offenlegungspflichten für die rohstoffextrahierende Industrie und Unternehmen im Forstsektor beinhalten.* Diese müssen nach Umsetzung der Richtlinie in den EU-Mitgliedsländern darüber berichten, welche Zahlungen sie an Regierungen leisten - und zwar nach Ländern und Projekten disaggregiert. Das Europäische Parlament folgt damit ähnlichen Vorschriften, die bereits 2010 in den USA im Rahmen der Dodd-Frank Gesetze verabschiedet worden waren und in diesem Jahr in Kraft treten. Zusammen mit der US-Gesetzgebung werden so über 70% der globalen Rohstoffindustrie (gemessen an ihren Börsenwerten) zu mehr Transparenz verpflichtet.

Zivilgesellschaftliche Organisationen von der Koalition Publish What You Pay und der Organisation Global Whitness bis zu den deutschen Organisationen Brot für die Welt, MISEREOR, Transparency International und ONE begrüßen die Verabschiedung der Transparenz- und Rechnungslegungsrichtlinien einhellig - teilweise sogar überschwänglich als "historischen Schritt". Die Richtlinie soll Menschen in rohstoffreichen Ländern dabei helfen, ihre Regierungen über deren Finanzgebahren zur Rechenschaft ziehen zu können, indem über die staatliche Einnahmen mehr Informationen vorliegen.

Die Richtlinie, die Zahlungen in Form von Steuern, Lizenzgebühren, Dividenden, Boni (soweit sie an Regierungen fließen), Gebühren und Zahlungen für Verbesserungen von Infrastruktur ab einer Höhe von 100.000 Euro transparent machen will, wurde von einer breiten Mehrheit des Parlaments quer durch alle Fraktionen angenommen. Da bereits vorher ein Kompromiss mit dem Rat der Europäischen Union (der Vertretung der Mitgliedsstaaten) ausgehandelt worden war, können die Richtlinien bald in Kraft treten. Aufgrund der von vielen unterstellten besonderen Korruptionsanfälligkeit dieses Sektors werden die Zahlungen nicht nur nach Ländern, sondern auch nach einzelnen Projekten veröffentlicht. Von der neuen Gesetzgebung werden in Deutschland beispielsweise Wintershall (BASF Gruppe), CRONIMET Gruppe und Lanxess betroffen sein.

Bernd Bornhorst von MISEREOR kommentierte die neuen Richtlinien: "Die heutige Entscheidung des EU-Parlaments ist ein Meilenstein im Kampf gegen Armut und Korruption. Die neuen Transparenzregeln sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Rohstoffreichtum endlich zu realen Verbesserungen der Lebensbedingungen im Globalen Süden genutzt werden kann. Die Menschen können so endlich Rechenschaft von ihren Regierungen und den Konzernen einfordern und damit zur Umkehr des Ressourcenfluches beitragen.“

Arlene McCarthy, Berichterstatterin im Rechtsausschuss zu der Transparenzrichtlinie, kommentierte: "Dieses neue Gesetz wird eine wichtige Waffe im weltweiten Kampf gegen Korruption sein. Nachdem wir eng mit NGOs und deren Dachverband Publish What You Pay zusammengearbeitet haben, haben wir nun ein Übereinkommen, dass zeigt wie effektiv die Zusammenarbeit zwischen Parlamentariern, Bürgern und Aktivisten sein kann und wirkliche Veränderungen für Gemeinschaften in Ländern bringen kann, die reich an Ressourcen sind und trotzdem in Armut gefangen."

Entscheidend für die Wirksamkeit der neuen EU-Gesetzgebung wird allerdings die Umsetzung in nationales Recht sein. Es ist beispielsweise Aufgabe der Mitgliedstaaten zu entscheiden, in welcher Form die Veröffentlichung der Daten erfolgen soll.

"Wichtig wird es sein, dass die Unternehmen ihre Daten in einem maschinenlesbaren Format zur Verfügung stellen, damit sie verwertet und bearbeitet werden können. Nur so können Aktivisten und Journalisten später auch damit arbeiten“, so Klaus Seitz von Brot für die Welt. "Außerdem ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, effektive Sanktionen festzusetzen, die zur Anwendung kommen, wenn Unternehmen gegen die Offenlegungspflicht verstoßen. Auch hier sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit das Gesetz nicht zum zahnlosen Tiger wird."

So erfreulich und langersehnt die Verabschiedung der Richtlinie heute auch ist, so schade ist es, dass sich das EU-Parlament mit weitreichenderen Vorschlägen nicht gegen die Blockadehaltung einiger europäischer Regierungen durchsetzen konnte. So hatte der federführende Rechtsausschuss noch im September 2012 gefordert, die Richtlinie solle sich nicht nur an die Rohstoff- und Forstkonzerne richten, sondern gleichermaßen auch an Telekommunikations- und Infrastruktur-Unternehmen sowie Banken.

Dabei hatten erst kürzlich verabschiedete Richtlinien vorgemacht, dass auch noch in letzter Minute weitergehende Beschlüsse möglich sind. So wurden im April im Rahmen der Kapitalanforderungsrichtlinie CRD IV weitreichende Offenlegungspflichten für Banken verabschiedet. Diese müssen demzufolge ab dem 1. Januar 2015 jährlich aufgeschlüsselt nach Mitgliedsstaaten und Drittstaaten, in denen sie über Niederlassugnen verfügen, folgendes offenlegen: Firma, Art der Tätigkeiten und geografische Belegenheit; Umsatz; Anzahl der Lohn- und Gehaltsempfänger in Vollzeitäquivalenten; Gewinn oder Verlust vor Steuern; Steuern auf Gewinn oder Verlust; erhaltene staatliche Beihilfen.

Diese Angaben sind aus Steuergerechtigkeitssicht nötig, um nicht nur zu überprüfen, ob Regierungen verantwortlich mit ihren Einnahmen umgehen, sondern auch, ob die Zahlungen von Unternehmen - vor allem in Form von Steuern - auch in einem reellen Zusammenhang mit deren wirtschaftlichen Aktivität in dem Land stehen. Das wird um so wichtiger, als zur Verhinderung von Steuervermeidung und -hinterziehung gerade auch Zahlung unterhalb der Materialitätsschwelle von 100.000 Euro interessant sind. Ohne gleichzeitig Informationen über die allgemeine Geschäftstätigkeit von Firmen zu erhalten, bleibt die heute verabschiedete Richtlinie zwar weiter richtig und wichtig - aber eben doch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. 


Sven Giegold von den Europäischen Grünen sagte dazu: "Die Chance für wirksame Maßnahmen gegen Steuervermeidung transnationaler Unternehmen wurde allerdings vertan. Das ist bitter, denn im Rat brauchten wir für die Revision der Buchhaltungsrichtlinie und der Transparenzrichtlinie keine Einstimmigkeit, die bei Steuerfragen regelmäßig europäische Lösungen blockiert."


*Die "Richtlinie über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen" sowie die "Richtlinie  zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind". Letztere richtet sich an börsennotierte Unternehmen, erster an Unternehmen anderer Rechtsformen. Bezüglich der Offenlegungspflichten sind aber beide Richtlinien identisch.