Von Mark Herkenrath, Alliance Sud
Zum Thema Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist an der Universität Bern ein interessanter Report im Auftrag des Schweizer Außenministeriums erschienen. Er beschäftigt sich mit den DBA der Schweiz mit Entwicklungsländern. Der Bericht findet sich allerdings recht versteckt auf der Webseite des Ministeriums, und wurde erst mehrere Monate nach der Fertigstellung überhaupt aufgeschaltet – wohl weil die Ergebnisse die Schweiz in keinem guten Licht dastehen lassen. Kurz zusammengefasst zeigt er, dass zwar die jüngsten DBA der Schweiz endlich Informationsabfragen in Einzelfällen ermöglichen, die Entwicklungsländer aber in zahlreichen wichtigen steuerlichen Belangen stark benachteiligen. Die wichtigsten Ergebnisse des Reports sind:
- Es gibt keine überzeugenden empirischen Belege für die gängige Annahme, dass DBA ausländische Direktinvestitionen begünstigen würden (vgl. S. 21).
- Die Schweiz unterhält „lediglich mit rund einem Viertel der 134 Entwicklungsländer ein DBA. Davon enthalten bislang nur vier ratifizierte Abkommen den OECD-Standard zum Informationsaustausch [d.h. auf Einzelanfrage].“ (S. 2)
- „Um vorteilhaftere Rahmenbedingungen für Fremdinvestitionen zu schaffen, verfolgt die Schweiz zusammen mit anderen OECD-Ländern zudem die einseitige Strategie, die Entwicklungsländer auf möglichst tiefe Quellensteuern festzulegen.“ (S. 2) Quellensteuern auf Einnahmen aus Lizenzgebühren und Zinsen können jedoch ein wirksames Mittel sein, um Verrechnungspreismanipulation und missbräuchliche Verlagerung von Gewinnen durch Lizenzvereinbarungen und unternehmensinterne Krediten zu unterbinden.
- Dem „‚Transfer Mispricing‘ [Verrechnungspreismanipulation] [… ] kann das Fremdvergleichs-Prinzip (‚Arm’s Length-Prinzip‘), das in den meisten DBA enthalten ist, zu wenig entgegenhalten.“ (S. 3).
- Im Hinblick auf die Definition und Besteuerung der Betriebsstätte heißt es: „Die Schweizer DBAs mit Entwicklungsländern geben hier ein uneinheitliches Bild ab. Sie sind das offensichtliche Resultat von ‚Bargaining‘ zwischen stärkeren und schwächeren Partnern und enthalten tendenziell für die Schweiz vorteilhaftere Regelungen.“ (ebd.) Dieses Thema ist insofern bedeutsam als am Vorliegen einer Betriebsstätte (im Englischen heißt sie etwas treffender „permanent establishment“) die gesamte Besteuerung hängt und eine enge Definition den Entwicklungsländern eher Nachteile bringt.
- Für Entwicklungsländer, die einen Informationsaustausch auf Anfrage mit der Schweiz anstreben, dürften Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA) den DBA demnach klar vorzuziehen sein. „Diese begrenzen sich auf den Informationsaustausch, sodass der Gefahr begegnet werden kann, im Gegenzug zum Informationsaustausch tiefe Quellensteuersätze akzeptieren zu müssen.“ (ebd.) Jedoch hat die Schweiz „mangels Anfragen noch kein TIEA mit Entwicklungsländern abgeschlossen“. (ebd.)
Eine – wenn auch nicht so umfassende – Bewertung der DBA von Deutschland mit Entwicklungsländern findet sich im Übrigen im Report Schattenfinanzzentrum Deutschland (Kapitel 3.6).